Die Altstadt Mosul: Eine Begegnung mit der Geschichte und dem Leben

Heute haben wir einen Ort besucht, der uns zutiefst bewegt hat – die Altstadt von Mosul. Ein Ort, der von einer grausamen Geschichte gezeichnet ist, aber auch von einer erstaunlichen Widerstandskraft und Lebensfreude getragen wird. Die Zerstörung, die uns umgibt, könnte erdrückend sein, doch zwischen den Trümmern blüht das Leben weiter. In den Gesichtern der Menschen, den engen, von Ruinen gesäumten Gassen und den lebendigen Märkten spiegelt sich eine Geschichte von Überleben und Hoffnung.

Eine unerwartete Begegnung

Als wir durch die Altstadt schlenderten, wurden wir von einem Mann angesprochen. Zuerst verstanden wir nicht genau, was er wollte, aber dann luden seine Worte uns ein, mehr zu sehen, als wir uns vorstellen konnten. Er bat uns, ihm zu folgen, und führte uns zu seiner Dachterrasse. Der Blick, der sich uns bot, war atemberaubend und verstörend zugleich. Von dort oben konnten wir die verwüsteten Straßen Mosuls sehen, die heute wie ein Mahnmal für das Leid und die Zerstörung wirken, die hier in den letzten Jahren stattgefunden haben.

Der Mann erzählte uns, dass er genau hier auf diesem Dach stand, als der Krieg begann. Er war damals als Wachposten eingesetzt, als die ISIS-Herrschaft Mosul ergriff.

Er zeigte auf die Straßen unter uns und berichtete von den schrecklichen Szenen, die sich dort abgespielt haben: Menschen, die zusammengetrieben und erschossen wurden. Die Vorstellung, dass wir genau hier an demselben Ort standen, an dem so viele unschuldige Leben ausgelöscht wurden, überwältigte mich. Ich konnte die Tränen gerade noch zurückhalten. Seine Worte, seine Geschichte, die Schwere des Moments drückten mich nieder.

Doch von dieser hohen Terrasse aus, inmitten der Ruinen, sah man auch noch eine weitere traurige Erinnerung an die ehemals friedliche Koexistenz der verschiedenen Glaubensrichtungen in Mosul. Direkt vor uns lag der Abschnitt, in dem eine christliche Kirche und eine Moschee nebeneinander standen – friedlich, in Harmonie und Respekt füreinander. Diese Symbiose von Kulturen und Religionen war ein starkes Symbol für die Geschichte von Mosul und ein Traum, den der Krieg zerstört hat. Es war eine schmerzliche Erinnerung daran, was in diesen Straßen einst möglich war, bevor der Konflikt alles hinwegfegte.

Der Krieg hatte dem Mann  viel genommen, aber nicht seine Herzlichkeit. Er lud uns in seine Wohnung auf ein Wasser ein. Er erzählte uns, dass er von dem Leben hier müde geworden sei.

Wir fühlten mit.

Und so verabschiedeten wir uns, mit einem schweren Herzen und tiefem Respekt für ihn und sein Überleben.

Der schmerzhafte Weg durch die Trümmer

Die Altstadt Mosuls ist ein Labyrinth aus Schutt und Ruinen. Es ist nicht einfach, sich hier zurechtzufinden. An jeder Ecke stoßen wir auf zerstörte Gebäude, die einst das Herz der Stadt bildeten. Die Zerstörung ist allgegenwärtig und die Atmosphäre manchmal kaum auszuhalten. Es fühlt sich an, als ob der Schmerz der Vergangenheit noch in der Luft liegt, als ob man das Leid von Tausenden spüren kann.

Es gibt Momente, in denen der Anblick dieser Ruinen und die Geschichten, die mit jedem Stück Mauer verbunden sind, so überwältigend sind, dass ich es nicht mehr zurückhalten kann: die Tränen kommen. Eine nach der anderen. Die Zerstörung Mosuls ist mehr als nur der sichtbare Verlust von Gebäuden. Es ist der Verlust von Leben, von Erinnerungen, von Kultur und von Heimat.

Das Leben geht weiter

An den Stellen, an denen die Zerstörung am heftigsten war, blüht das Leben weiter. Auf den Märkten, die sich zwischen den Trümmern erstrecken, sind die Menschen lebendig und voller Energie. Die Stände sind voll von Waren, die mit Leidenschaft verkauft werden. Hier trifft man auf freundliche Gesichter, auf Menschen, die trotz allem wieder versuchen, das normale Leben zurückzubringen.

Es ist eine Stadt, die sich noch immer im Wiederaufbau befindet, doch das Leben hat seinen Platz in den Ruinen gefunden.

Während wir durch eine zerstörte Gasse gingen, trafen wir drei Jungen im Alter von etwa 11 bis 15 Jahren. Sie hatten einen Eselskarren dabei, auf dem sie Schrott sammelten. Die Jungs sprachen uns an, und natürlich wollten sie ein Foto mit uns machen. Ihre Gesichter leuchteten auf, als sie stolz auf das Bild blickten, das sie mit uns gemacht hatten. Inmitten der Zerstörung, zwischen den Trümmern, war es ein Moment der Freude.

Eine Einladung zu einem bescheidenen Mahl

Kurz bevor wir die Altstadt wieder verließen, wurden wir von der Polizei zu einem gemeinsamen Mittagessen eingeladen. Es war einfach, bescheiden, aber unglaublich herzlich. Wir standen mit den Polizisten am Straßenrand, teilten Fladenbrot und einen Topf mit Hackfleisch. Das Fleisch war göttlich gewürzt, das beste was wir hier im Irak bis jetzt gegessen haben. Keiner von uns sprach viel, aber das Schweigen war eine herzliche Stille mit lachenden Gesichtern. Mit der einen Hand hielten sie das Maschinengewehr, mit der anderen griffen sie nach dem Fleisch. Ein seltsamer Anblick, aber es war ein Moment des Zusammenseins, der uns viel Freude bereitete. 

Mosul:  Wunden und Heilung

Was uns in Mosul am meisten berührt hat, ist die unglaubliche Stärke der Menschen. Trotz all der Zerstörung, trotz des unvorstellbaren Leids, das hier geschehen ist, geht das Leben weiter und das mit einem Lächeln und egal wie wenig man hat, es wird immer geteilt und gegeben. Inmitten der Trümmer blüht das Leben auf den Märkten, in den Straßen und in den Herzen der Menschen. Wir haben hier die Herzlichkeit und Gastfreundschaft erlebt, die uns in einem Land, das so viel Schmerz erfahren hat, überrascht und berührt hat.

Mosul ist ein Ort, der sowohl von seiner Geschichte als auch von seiner Zukunft spricht. Die Narben des Krieges sind noch immer sichtbar, doch die Hoffnung und der Wille der Menschen, ihr Leben wieder aufzubauen, sind ebenso präsent. Dieser Ort hat uns nicht nur die Zerstörung gezeigt, sondern auch den unerschütterlichen Geist derjenigen, die hier leben und überlebt haben. In Mosul ist der Krieg nicht das Ende – es ist der Beginn eines neuen Kapitels, das noch geschrieben wird.